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Den eigenen Lerntyp richtig einschätzen

Dorothee Balke von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar berät zur Aufstiegsfortbildung. Sie lenkt das Augenmerk auch auf persönliche Voraussetzungen, wenn es um digitale Lernformate geht. Denn diese verlangen eine hohe Eigenmotivation.

Dorothee Balke und ihr Team beraten Menschen, die sich für eine Förderung durch das AFBG interessieren. Die IHK Rhein-Neckar verzeichnet ein hohes Interesse an Aufstiegsfortbildungsförderung.
Auch im Herbst 2020 sind die Anmeldezahlen stabil. Etwa 50 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Lehrgängen werden nach dem AFBG gefördert – mit steigender Tendenz, denn Konditionen haben sich seit August 2020 erneut verbessert. Zu den Fortbildungsabschlüssen, die besonders begehrt sind zählen die Fachwirtin oder der Fachwirt, technische Betriebswirtinnen oder Betriebswirte sowie die Fortbildung zur Industriemeisterin oder Industriemeister. Obwohl sich viele Betriebe in der Region offen dafür zeigen, ihre Belegschaft bei der beruflichen Fortbildung sowohl finanziell wie auch mit Zeitkontingenten zu unterstützen, beobachtet das Beratungsteam eine starke Eigeninitiative der Interessierten. Die meisten, die sich beraten lassen, planen die Aufstiegsfortbildung ohne Unterstützung seitens der Vorgesetzten. Die finanzielle Unterstützung mit dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) ist daher eine gute Möglichkeit, den Wunsch nach einer Fortbildung zu realisieren. Neben der privaten und beruflichen Situation geht es in der Beratung oft auch um moderne technische Lernformate.

Frau Balke, Sie beraten Weiterbildungswillige auch im Hinblick auf digitale Lernangebote. Welche Formate haben sich bewährt?

Dorothee Balke: Wir bieten Webinare und Blended Learning-Angebote an. Während ein Webinar nur online durchgeführt wird, handelt es sich bei Blended Learning um einen Mix aus virtuellen Lerneinheiten und Präsenzveranstaltung. Beide Formate eignen sich aus unserer Erfahrung insbesondere für kompakte Lerneinheiten.

Wenn sich jemand für eine berufliche Fortbildung entscheidet, die durch das AFBG gefördert wird, stehen dann auch digitale Angebote zur Verfügung?

Dorothee Balke: Ja, grundsätzlich schon, doch diese wurden bislang recht wenig genutzt. Dies hatte seine Gründe vor allem in den gesetzlichen Möglichkeiten, wann das AFBG bei „Fernunterrichtslehrgänge“ überhaupt in Anspruch genommen werden konnte, da waren die Möglichkeiten nämlich eingeschränkt. Das hat sich mit der Novelle im Sommer 2020 geändert, hier wurde der Unterrichtsbegriff im Gesetzestext explizit um virtuelle Unterrichtsformen erweitert, so dass zukünftig „physische und virtuelle Präsenzlehrveranstaltungen“ förderfähige Unterrichtstunden im Sinne des Gesetzes darstellen. Präsenzlehrveranstaltungen erfordern nicht zwingend eine körperliche Präsenz an einem physischen Ort. Auch ein „virtuelles Klassenzimmer“ kann unmittelbar die Voraussetzungen für Präsenzunterricht erfüllen.

Welche Voraussetzungen müssen denn dann erfüllt werden?

Dorothee Balke: Ein digitales Format ist förderfähig, wenn die wesentlichen Interaktionsformen des Unterrichts in einem physischen Klassenzimmer zwischen Lehrenden und Lernenden sowie zwischen Lernenden untereinander ermöglichen, eine vergleichbare Erfassung der „Teilnahme“ sicherstellen und eine dem physischen Präsenzunterricht vergleichbare zahlenmäßige Relation von Lehrenden und Lernenden bieten.

Wie läuft eigentlich ein Webinar ab?

Dorothee Balke: Hier muss man differenzieren, denn es gibt ganz unterschiedliche Abläufe, von reinen Vortagsinhalten bis hin zu interaktiven Workshops/Unterrichtsformen. Bei unserem Angebot handelt es sich um Unterricht „auf Distanz“, bei dem der Präsenzunterricht in digitaler Form durchgeführt wird. Der Dozent oder die Dozentin nutzen verschiedene Tools, wie Tafeln, Präsentationen, auch Gruppenarbeit der Teilnehmer in Breakout-Räumen ist möglich. Die Teilnehmenden bringen sich aktiv ein, können nachfragen und untereinander diskutieren. Falls das Webinar aufgezeichnet wird, kann dies später immer noch genutzt werden, zur Prüfungsvorbereitung beispielsweise.

Was verbirgt sich hinter dem Stichwort Blendend Learning?

Dorothee Balke: Das ist eine Mischung aus digitalem Unterricht und Präsenzzeiten. Die Teilnehmenden arbeiten einerseits eigenständig auf einer Online-Plattform, erarbeiten sich Inhalte oder führen Gruppenarbeiten online durch. Neben den Selbstlernphasen gibt es Präsenzunterricht und damit persönlichen Kontakt zu den Dozentinnen und Dozenten, ein Austausch, der für den Lernfortschritt sehr wichtig ist. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist zudem das Gruppengefühl während eines Lehrgangs - viele Menschen motiviert das gemeinsame Lernen mit Gleichgesinnten. 

Wenn Sie Menschen beraten, die sich für eine Aufstiegsfortbildung interessieren, geht es sicher oft um berufliche und persönliche Ziele und den zeitlichen Rahmen. Thematisieren Sie auch, ob digitale oder analoge Kursformate geeignet sind?

Dorothee Balke: Auf jeden Fall, denn das ist eine bewusste Entscheidung. Es ist tatsächlich auch ein Unterschied, ob ich mich allein vor dem Computer beruflich fortbilde oder ob ich gemeinsam mit anderen in einem Seminarraum physisch anwesend bin. Wir beraten in dieser Hinsicht sehr konsequent, denn manche schätzen sich und ihren Lerntyp unter Umständen nicht richtig ein. Online-Formate verlangen ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Nicht jeder schafft es, möglicherweise auftretende Durchhänger alleine zu bewältigen. Auf der anderen Seite ermöglichen virtuelle Lernangebote große Flexibilität, etwa für berufstätige Eltern oder auch für Menschen, die räumlich gebunden sind und sich freuen, wenn sie sich 50 Kilometer Fahrtstrecke für einen Kurs sparen können.

Jenseits der aktuellen Entwicklung in Corona-Zeiten, die grundsätzlich vielen Berufstätigen eine Art unfreiwilligen Schub in punkto Digitalisierung beschert hat - beobachten Sie eine Offenheit für digitale Lernformate? Gibt es Unterschiede, etwa mit Blick aufs Lebensalter?

Dorothee Balke: Unserer Erfahrung nach ist das Lebensalter nicht der entscheidende Faktor. Es gibt jüngere Leute, die Online-Lernformate ablehnen, und ältere, die sehr begeistert sind. Grundsätzlich haben wir in den vergangenen Jahren eine Offenheit für technische Möglichkeiten beobachtet. Gleichwohl, und das wurde auch deutlich in den Monaten nach dem Lockdown, freuten sich die Teilnehmenden dann doch sehr, ihre Dozentinnen und Dozenten wiederzusehen, als wieder Präsenzunterricht möglich wurde.

Welche Voraussetzungen sind wichtig, um im virtuellen Klassenzimmer erfolgreich zu sein?

Dorothee Balke: Es gibt natürlich „äußere“ und technische Faktoren, die zu beachten sind. Zum einen benötigt man eine gewisse Infrastruktur, eine technische Ausstattung und stabiles W-Lan. Es kann sinnvoll sein, den Laptop mit einem besseren Bildschirm zu versehen oder eine Tastatur zu ergänzen. Was ganz wichtig ist: dass man eine ruhige Arbeitsumgebung hat, die es erlaubt, sich zu konzentrieren. Eine Türe schließen zu können, ist hilfreich. Das war eine der Rückmeldungen unserer Teilnehmenden aus der jüngsten Corona-Zeit. Am wichtigsten ist aber bei der Entscheidung für ein reines online Format eine starke intrinsische Motivationsfähigkeit und Selbstdisziplin, da ja gerade das Mitziehen durch eine Gruppe fehlt. Auch die Möglichkeit, sich in kleinen Lerngruppen zu treffen, ist nur teilweise möglich.

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