Das AFBG sichert das Meisterstück
Dipl.-Ing. Skadi Buchheister von der Fachschule für Augenoptik „Hermann Pistor“ in Jena im Gespräch über den Wandel in der Meisterausbildung, die Scheu vor der Selbstständigkeit und das große Interesse an der Förderung durch das AFBG.
Frau Buchheister, Sie unterrichten Auszubildende, aber auch angehende Meisterinnen und Meister der Augenoptik. Ist die Meisterausbildung begehrt?
Skadi Buchheister: Wir haben 48 Ausbildungsplätze für die Fortbildung der Meister/innen. Noch vor zehn Jahren konnten wir uns aus knapp hundert Bewerber/innen die besten „herauspicken“. Momentan sind es 16 pro Jahrgang. Wir sehen mit Bedauern, dass das Interesse früher größer war. Denn als Augenoptikermeister/in haben unsere Absolventinnen und Absolventen einen EU-weit anerkannten Titel. Damit können sie sich überall in Europa mit einem Betrieb selbstständig machen und unternehmerische Verantwortung übernehmen oder ein weiterführendes Studium an einer Fachhochschule absolvieren. Mit dem Meistertitel haben sie zudem ausgezeichnete Aussichten, als Angestellte Karriere zu machen, etwa in Augenkliniken oder Laser-Zentren oder in der optischen und feinmechanischen Industrie.
Was sind die Gründe für diesen rückläufigen Trend?
Skadi Buchheister: Die Gründe dafür sind vielfältig, ein Grund ist, dass wir als staatliche Schule nicht so werben können, wie andere private Bildungsanbieter. Auch bieten Hochschulen Studiengänge „Augenoptik“ an, diese kann man belegen, ohne eine Ausbildung zum/zur Augenoptiker/in absolviert zu haben.
Es liegt also nicht an mangelndem Interesse, sondern an der Konkurrenz?
Skadi Buchheister: Auch hier muss man differenzieren. Das Interesse am Beruf Augenoptiker/in ist grundsätzlich vorhanden. Es ist eine schöne, abwechslungsreiche Tätigkeit. Man arbeitet handwerklich, man hat mit Menschen zu tun, denen man die Fähigkeit zum guten Sehen erhält. Und nicht nur das: Der Berufsverband der Augenoptiker/innen wirbt damit, dass Augenoptiker/innen nicht nur Techniker/innen, Physiker/innen und Handwerker/innen, sondern auch Psycholog/innen, Designer/innen, Mode- und Typberater/innen und nicht zuletzt Kaufleute sind – alles in einer Person.
Ein attraktiver Beruf also…
Skadi Buchheister: Ja, genau, ein toller Beruf mit vielen Facetten, die wir in der Meister/innen-Ausbildung vertiefen. Wir sind in Jena an einer der ältesten Schulen für Augenoptik in Deutschland, die schon seit 1917 für eine gute Ausbildung nach bester Handwerkstradition sorgt. Das Interesse an der Meisterausbildung ist unseren Erfahrungen nach auch gedämpft, da Interessenten sich schwer tun mit dem Schritt in die Selbstständigkeit. Zwar sind die Chancen einerseits hervorragend, Stichwort demografischer Wandel. 80 bis 90 Prozent aller Sinnes-Informationen werden über die Augen aufgenommen, beinahe zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland sind fehlsichtig und ab dem 45. Lebensjahr benötigen die meisten Menschen eine Brille zum Lesen. Andererseits wird der Schritt in die Selbstständigkeit gescheut, unter anderem auch, weil es viele behördliche Auflagen gibt, etwa zum Datenschutz.
Um aber ein Geschäft eröffnen oder übernehmen zu können, muss man Meisterin oder Meister sein?
Skadi Buchheister: Es handelt sich um einen Gesundheitsberuf und wer diese Dienstleistung in einem Geschäft anbieten will, muss der Meisterpflicht nachkommen. Das heißt, es kann auch ein Geselle den Laden eröffnen, es muss aber sichergestellt werden, dass ein/e Meister/in angestellt ist.
Welche Leistungen erbringen Augenoptiker/innen?
Skadi Buchheister: Sie finden Lösungen für die individuellen Sehprobleme. Dazu wird ein optometrisches Screening mit einer Augenglasbestimmung durchgeführt, um die nötigen Korrektionsgläser herstellen zu können. Sie beraten auch bei der Auswahl geeigneter Brillenfassungen. Bei der Anpassung von Kontaktlinsen und Spezialsehhilfen finden sie ebenfalls individuelle Lösungen.
Und was vermitteln Sie in den Meisterkursen?
Skadi Buchheister: Wie bereits erwähnt, bilden wir klassisch handwerklich aus. Das bedeutet auch, dass unsere Absolvent/innen eine individuelle Brillenfassung als Meisterstück herstellen. Viele haben so viel Spaß daran gefunden, dass sie mit der Erstellung von individuellen Fassungen eine Nische in der Selbstständigkeit gefunden haben. Zudem ist in der Meisterschule die Gesundheitsvorsorge ein großes Thema, etwa mit Blick auf Erkrankungen wie etwa den Grauen Star, die altersbedingte Makula oder ein Glaukom. Neben dem handwerklichen Können wird das Know-how und die Dienstleistungskompetenz rund um das optimal mögliche Sehen immer wichtiger. Die Sehanforderungen an die Augen steigen mit den technischen Errungenschaften und dem Lebensstil der Zeit. Das Wissen um die bestmöglichen Lösungen und um die Gesamtzusammenhänge des Sehens und der Augen machen die Meister/innen zur ersten Anlaufstelle für optimales Sehen.
Wissen Sie, welche Erfahrungen die Meisterschülerinnen und -schüler mit dem AFBG machen?
Skadi Buchheister: Wir sind eine staatliche Fachschule, somit gibt es keine Schulgebühr. Für die Teilnahme an der Meisterprüfung fallen Kosten an, das sind zurzeit etwa 1.500 Euro. Die Meisterausbildung ist eine Vollzeitausbildung und findet durchgängig in zwei Jahren statt. Ich kenne keinen, der kein Aufstiegs-BAföG bekommt. Alle unsere angehenden Meisterinnen und Meister nutzen die staatliche Förderung. Soweit ich weiß, vor allem zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten. Zudem auch für die Erstellung ihres Meisterstücks. Darüber hinaus gibt es einen Anteil zur Deckung der Prüfungskosten.