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19. Juni 2018 – Frank Tischner: „Die Ausbildung ist der Start für eine unglaubliche Lernkurve“

Vom Bäckerlehrling zum Hauptgeschäftsführer: Im Interview spricht der Hauptgeschäftsführer der KHS Steinfurt-Warendorf über Chancen und Herausforderungen der beruflichen Bildung in Deutschland.

Frank Tischner (Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf)
Frank Tischner (Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf) © Jörg Kersten

Vom Bäckerlehrling zum Hauptgeschäftsführer: Frank Tischners Lebenslauf liest sich wie ein Musterbeispiel für lebenslanges Lernen. Im Interview spricht der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf über Chancen und Herausforderungen der beruflichen Bildung in Deutschland.

Was waren wichtige Stationen Ihrer beruflichen Laufbahn?

Ich habe eine Ausbildung zum Bäcker und dann zum Konditor absolviert. Darauf folgte die Fortbildung zum Konditormeister. Anschließend habe ich in Hessen in einer Schweizer Confiserie gearbeitet und mehrere Schokoladen- und Pralinenseminare besucht. Danach bin ich bei einem großen Süßwarenhersteller in Nordrhein-Westfalen in der Produktentwicklung eingestiegen. Nebenbei habe ich in der Abendschule den Abschluss als Betriebswirt des Handwerks gemacht. Außerdem erhielt ich die Möglichkeit, am firmeneigenen Trainee-Programm „International Sales und Marketing“ teilzunehmen. Später habe ich noch acht Jahre bei einem US-amerikanischen Lebensmittelkonzern als nationaler und internationaler Key Account Manager gearbeitet. In meiner jetzigen Position als Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf bin ich seit 2011 tätig.

Ihr Lebenslauf zeigt eindrücklich, wie man mit beruflicher Weiterqualifizierung den Aufstieg schafft. Wie kann aus Ihrer Erfahrung lebenslanges Lernen gelingen?

Ich hatte nicht von Anfang an einen konkreten Karriereplan, in welchem Alter ich was erreichen wollte. Aber ich war immer offen für die Chancen, die sich mir boten. Was mich bis heute antreibt, ist die Lust auf neue Herausforderungen, die Lust mein Wissen zu erweitern und neue Erfahrungen zu sammeln. Für mich ist Bildung eine Frage der Einstellung: Lernen ist keine Belastung, sondern die Freude, etwas Neues kennenzulernen. Ich habe Fort- und Weiterbildungen in den unterschiedlichsten Bereichen gemacht, von formalisierten Kursen an Abendschulen bis hin zu Improvisations-Workshops. Für mich hat auch Lesen ganz viel mit Weiterbildung zu tun, nicht nur in der Gruppe zu sitzen und bunte Karten an eine Wand zu pinnen. Aber jeder muss für sich herausfinden, wie er am besten lernt. Wichtig ist nur, dass man lernt. Die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln ist in unserer Zeit, in der sich Lebens- und Arbeitswelten dynamisch verändern, unabdingbar.

Wie schätzen Sie die Möglichkeiten für Fort- und Weiterbildungen in Deutschland ein?

Es gibt hierzulande sehr viele Angebote, um sich beruflich weiterzubilden. Darüber hinaus ist die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems herausragend. Beispielsweise kann ich mit einem Abschluss als Meister auch ohne Abitur studieren oder nach dem Bachelorabschluss – als zu diesem Zeitpunkt höchstem Hochschulabschluss – eine geförderte Aufstiegsfortbildung absolvieren. Das ist eine Riesenstärke in Deutschland, die noch viel mehr bekannt gemacht werden muss. Wenn ich mit Eltern oder Lehrern spreche, höre ich oft, dass mit der Ausbildung die berufliche Laufbahn vorbei sei. Ich sage, sie geht damit erst los! Als Absolvent einer Berufsausbildung kann ich mich selbständig machen, Führungskraft in einem Unternehmen werden, noch studieren – die Möglichkeiten sind sehr vielfältig.

Welche Rolle spielt dabei die Förderung mit dem Aufstiegs-BAföG?

Der Impuls und der Wille, sich beruflich weiterzuqualifizieren, müssen in erster Linie von einem selbst kommen. Ich finde es aber gut und richtig, diese Bereitschaft durch finanzielle Unterstützung zu fördern. Bildung ist kein Selbstläufer, sondern erfordert eine Investition in die eigene Person. Die Aufstiegsförderung ist daher auch eine Form der Wertschätzung. Und sie spielt auch dann eine Rolle, wenn wir über die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung sprechen.

Wo besteht aus Ihrer Sicht noch Handlungsbedarf im Hinblick auf die gleichwertige Behandlung beruflicher und akademischer Bildung?

Wir sollten uns wieder auf die Stärken unseres Bildungssystems besinnen. Es geht nicht darum, die duale Ausbildung gegen die akademische Bildung auszuspielen. Wir brauchen Absolventinnen und Absolventen aus beiden Bereichen. Aber wir müssen wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzufinden, das sich am Fachkräftebedarf der Wirtschaft orientiert statt an internationalen Akademisierungsquoten. Außerdem müssen wir Eltern, Lehrern und Schülern verstärkt die Karrierechancen einer Ausbildung aufzeigen. Dafür brauchen wir junge Botschafter und eine intensivere Berufsorientierung in den Schulen. Wichtige Stellschrauben sind auch die Förder- und Infrastrukturpolitik: Beihilfen zur Ausbildung und eine gleichrangige finanzielle Ausstattung von beruflichen Bildungseinrichtungen sind hier wichtige Ansätze. Angesichts der rasanten Entwicklungsschritte im Silicon Valley müssen wir es schaffen, gezielt für die künftigen Bedarfe der Wirtschaft zu schulen. Dafür brauchen wir Investitionen in Schulen, Berufsschulen und Bildungszentren.

Was bedeutet der digitale Wandel für das Handwerk und für die berufliche Bildung?

Der digitale Wandel ist natürlich ein großes Thema. Trotzdem dürfen wir der Digitalisierung nicht blind hinterherlaufen. Schülern oder Azubis ein Tablet in die Hand zu geben, wird nicht reichen. Der Zugang zu Wikipedia hat nicht viel mit Lernen zu tun. Was das Handwerk ausmacht, ist gute Fachlichkeit: zu wissen, wie etwas geht, wie die Dinge zusammenhängen. Um ein Dach zu decken, muss man auch im digitalen Zeitalter aufs Dach steigen. Aber man kann zum Beispiel mit einer Kamera-Drohne vorab die Schäden erfassen. Die Herausforderung ist also, die bewährte Fachlichkeit des Handwerks mit digitalen Ansätzen zu verknüpfen – und das bei 130 verschiedenen Berufen. Wichtig ist, jetzt nicht ängstlich den Kopf einzuziehen, sondern sich auf diese spannende Aufgabe zu freuen.

Welchen Tipp geben Sie jungen Absolventinnen und Absolventen einer Berufsausbildung mit auf den Weg?

Die Ausbildung ist das Fundament des beruflichen Lebenswegs, aber auch der Start für eine unglaubliche Lernkurve. Mein Tipp ist daher, nach vorn zu schauen, offen auf Menschen zuzugehen und Herausforderungen anzunehmen. Es wird Höhen und auch Tiefen geben, aber sich die Punkte zu suchen, wo man sich weiterentwickeln kann, macht auch Spaß. Und – auch wenn das etwas pathetisch klingt – Geld ist nicht immer alles. Es gehört auch die Zufriedenheit dazu, dass das, was man tut, zu einem passt. Und um diese Zufriedenheit zu bekommen, gibt es unzählige Möglichkeiten.